Als Königin Beatrix nach Stolzenau kam
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Am 30. Juni 1987 besuchte eine gut gelaunte Königin Beatrix die niederländischen Soldaten in Stolzenau.
© Quelle: Archiv/Reckleben
Stolzenau. Nie wieder hat sich Stolzenau so herausgeputzt wie an jenem Dienstag: Am 30. Juni 1987 besuchte Beatrix, die damalige Königin der Niederlande, den Weserflecken. Somit steht sie im Mittelpunkt unseres heutigen Beitrags aus der Jubiläumsserie „Historischer Freitag“.
Königin Beatrix machte der fünften Gruppe der Königlich Niederländischen Luftwaffe (Koninklijke Luchtmacht) ihre Aufwartung, hinterließ aber nicht nur bei ihren Landsleuten Eindruck: „Zuerst macht Stolzenaus Verwaltungschef Enno Akkermann seinen Diener, dann ungewohnt verkrampft Bürgermeister Dieter Heuvemann. Einige Worte werden gewechselt. Die Monarchin gibt Landrat Helmut Rode die Hand und zuletzt Oberkreisdirektor Dr. Wilfried Wiesbrock, der sich mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen ein bißchen knapp verbeugt“, hat der langjährige HARKE-Redakteur Stefan Reckleben seinerzeit beobachtet.
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DIE HARKE berichtete damals mit einer ganzen Seite vom königlichen Besuch.
Die Heimatzeitung begleitete den hohen Besuch und berichtete tags darauf auf einer ganzen Seite. Die Bilder zeigen Königin Beatrix beim Bad in der Menge, bestens gelaunt. Die Kinder, die selbst gebastelte Krönchen trugen und Fahnen in Hollands Nationalfarben schwangen, bedachte sie mit einem strahlenden Lächeln.
Kommandeur Keijzer hatte zuvor eine Order an seine Männer ausgegeben: „Helm unter den linken Arm, wenn die Königin Sie anspricht, die Königin mit ‚Ihre Majestät‘ ansprechen, und nicht einfach herumschlendern, wenn die Königin in der Nähe ist“, ist in der Chronik „Die Holländer kommen“, zu lesen.
Beatrix und der royale Stab waren mit drei Hubschraubern auf dem Kasernengelände eingeschwebt, bevor bei Kaiserwetter ein straffes Programm begann: Die Monarchin besichtigte im Blümchenkleid mit strahlend weißem Hut das holländische Militärheim, im Anschluss ging es zur armeeeigenen Grund- und dann zur Realschule. Per Glockenschlag weihte sie den neu errichteten Kindergarten ein und trug sich später auch ins Goldene Buch der Gemeinde ein. Bürgermeister Heuvemann verlieh Beatrix außerdem die Ehrennadel der Gemeinde.
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Das Kasernengelände von oben. Heute ist es ein Gewerbegebiet, der Sportplatz musste dem E-Center weichen.
Fast 30 Jahre lang war die niederländische NATO-Einheit „5e Groep Geleide Wapens (5. GGW)“ (deutsch: fünfte niederländische Fernlenkwaffengruppe) in Stolzenau stationiert. Am 1. September 1966 wurde sie mit Stellungen in Hoysinghausen, Winzlar und Borstel offiziell installiert, ebenso eine Brigade der Königlichen Militärpolizei (Koninklijke Marechaussee). Eine neue Wohnsiedlung, ein eigener Kindergarten, Schulen, ein Sportplatz und Gasthäuser wurden gebaut.
„In der Spitze waren, inklusive Familien, sicherlich 4000 Holländer hier“, sagt Ton van den Born, dessen Vater Soldat war und der heute Mitorganisator der deutsch-holländischen Wiedersehensfeiern ist.
Was Mitte der 1960er-Jahre mit reichlich Skepsis vor allem auf deutscher Seite begann, gedieh im Laufe der Jahrzehnte zu einer engen Verbindung. Die Parallelwelten wuchsen zusammen. Es entwickelten sich Freundschaften und noch engere Bindungen. Es sollen allein in Stolzenau mehr als 100 deutsch-niederländische Ehen geschlosssen worden sein.
Auf Wiedersehen, Freunde, ihr werdet uns fehlen.
Der damalige Bürgermeister Klaus Dera
Gemeinsame Kinder gingen hervor, die die holländische Tradition in Stolzenau mit den verbliebenen Landsleuten bis heute – mehr als 20 Jahre nach dem Abzug der Truppe – wahren. Das präsenteste Vermächtnis ist die fünfte Jahreszeit. Es waren die niederländischen Soldaten, die mit dem OOCC de Weserpeerden einen Karnevalsverein gründeten und damit die heute mehrere Tage dauernde Sause aus der Taufe hoben.
Überhaupt: Feiern konnten die Holländer! Unzählige Anekdoten von feucht-fröhlichen Veranstaltungen sind überliefert, einige Male standen Schlagerstars wie Ireen Sheer oder Lena Valeitis auf der Bühne. Auch das Jugendhaus „Wip In“ geht auf die Holländer zurück, wenngleich vielen der heutigen jungen Stammgäste das gar nicht bewusst sein dürfte.
Der Stolzenauer Stützpunkt diente dem gemeinsamen Ziel aller Bündnispartner, den Luftraum im Bereich der NATO-Grenze gegen Angriffe aus dem Osten zu verteidigen. Das Ende des Kalten Krieges läutete dann auch den Abzug der niederländischen Truppen ein.
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1995 verabschiedeten sich die Holländer mit einem großen Fest samt Parade aus Stolzenau.
© Quelle: Fotos (2): Heimatmuseum Stolzenau
Die 5. GGW verabschiedete sich mit einem krachenden Fest aus Stolzenau. „Auf Wiedersehen, Freunde, ihr werdet uns fehlen“, verabschiedete der damalige Bürgermeister Klaus Dera die Niederländer. Mit dem Abzug der Garnison verlor Stolzenau auf einen Schlag knapp ein Drittel seiner Einwohner, reichlich Kaufkraft und auch ein Stück seiner Identität. Der Weserflecken sollte nie wieder derselbe sein. Es dauerte eine Weile, bis sich die Gemeinde von diesem Schlag erholt hatte. Das großzügige Kasernengelände wandelte die Gemeinde schließlich in ein Gewerbegebiet um.
An jenem 30. Juni 1987 war all das noch nicht absehbar. Königin Beatrix verschaffte sich seinerzeit auch einen Eindruck von Stolzenau. In einer dunklen Limousine fuhr sie durch den Ort. Die niederländische Militär- und die deutsche Polizei sicherten den Konvoi ab.
Die Heimatzeitung berichtete von Zaungästen, die gar mit dem Fernglas versuchten, einen Blick auf die Monarchin zu erhaschen. Nicht nur die Stolzenauer blieben entzückt zurück, als Beatrix schließlich wieder in den Helikopter stieg. „Sie sieht richtig toll aus“, wird Verwaltungschef Akkermann in der HARKE-Ausgabe vom 1. Juli 1987 zitiert.
DH