„Stoppen Sie diesen Krieg“: Baerbock appelliert an Lawrow – und warnt China
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Catherine Colonna (l), französische Außen- und Europaministerin, spricht mit Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin, während des G20-Außenministertreffens.
© Quelle: Olivier Douliery/Pool AFP/AP/dpa
Neu Delhi. Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland beim G20-Treffen von Wirtschaftsmächten aufgerufen, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. „Stoppen Sie diesen Krieg. Stoppen Sie die Verletzung unserer internationalen Ordnung. Stoppen Sie die Bombardierung ukrainischer Städte und Zivilisten“, forderte die Grünen-Politikerin am Donnerstag bei Beratungen der G20-Außenminister in Indiens Hauptstadt Neu Delhi nach Angaben aus Delegationskreisen. Sie wandte sich dabei direkt an Russlands Außenminister Sergej Lawrow.
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„Es ist gut, dass Sie hier im Saal sind, um zuzuhören“, sagte Baerbock zu dem russischen Minister. „Stoppen Sie den Krieg. Nicht in einem Monat oder einem Jahr, sondern heute.“ Sie fügte hinzu: „Denn jede Familie, die einen Vater, einen Bruder, eine Mutter, ein Kind verliert, verliert eine ganze Welt.“ Es gebe kein Recht des Stärkeren, seinen kleinen Nachbarn zu überfallen.
Die Außenministerin sehe in der G20-Runde weitgehende Einigkeit bei der Forderung nach einem raschen Ende von Russlands Krieg in der Ukraine. „Hier an diesem G20-Tisch haben 19 Länder deutlich gemacht, dass dieser Krieg enden muss. Dass sie alle endlich Frieden wollen“, legte die Grünen-Politikerin später nach. Dies habe auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow sehr deutlich registriert. Offensichtlich habe man auch auf russischer Seite erkannt, „dass allein falsche Behauptungen, man hätte diesen Krieg gar nicht angefangen“, nicht verfingen, sagte Baerbock. „Und dass es keine gute Strategie ist, irgendwo hinzukommen (...), seine falschen Narrative abzufeuern und dann wieder zu gehen.“
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Lawrow nennt westliche Sanktionen Willkür
Lawrow selbst kritisierte bei dem Treffen die westlichen Sanktionen gegen sein Land als Willkür. „Es ist notwendig, den unrechtmäßigen Sanktionen, jeglicher Verletzung der internationalen Handelsfreiheit, der Marktmanipulation, der willkürlichen Einführung von Preisobergrenzen und anderen Versuchen, sich fremde Bodenschätze anzueignen, einen Riegel vorzuschieben“, sagte Lawrow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
Im vergangenen Juli hatte er beim G20-Außenministertreffen auf der indonesischen Ferieninsel Bali für einen Eklat gesorgt, als er direkt nach seiner Rede den Saal verließ und den Wortmeldungen seiner Kritiker nicht mehr zuhörte. Das G20-Treffen in Indien gilt als die erste große Konferenz seit Bali, bei der er mit westlichen Kolleginnen und Kollegen zusammentrifft.
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Baerbock betont bei Treffen mit Chinas Außenminister UN-Charta
Angesichts von Spekulationen über Waffenlieferungen aus China an Russland hat Außenministerin Annalena Baerbock bei einem Treffen mit ihrem neuen chinesischen Kollegen Qin Gang auf die Einhaltung der UN-Charta gepocht. Sie habe deutlich gemacht, dass die Lieferung von Waffen oder von Gütern, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten, „Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs wäre“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in Neu Delhi mit Blick auf den Krieg in der Ukraine.
Als Ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat habe China die Aufgabe, „für den Weltfrieden einzutreten und nicht einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu unterstützen“, sagte Baerbock nach dem Treffen mit Qin Gang. Die chinesische Seite habe darauf hingewiesen, „dass man das nicht täte, was eine gute Nachricht wäre“. Kürzlich hatte es Meldungen gegeben, wonach China Russland Drohnen für Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine überlassen könnte.
China hat den russischen Einmarsch in der Ukraine bis heute nicht verurteilt. Zum ersten Jahrestag der russischen Invasion am vergangenen Freitag hatte Peking ein Positionspapier vorgelegt. Darin wurden ein Waffenstillstand und Verhandlungen gefordert. Im Westen wurde das Zwölf-Punkte-Dokument mit Skepsis aufgenommen, weil es keine neue Initiative erkennen lasse und auch nicht den Abzug russischer Truppen aus der Ukraine vorsehe.
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Baerbock: Kein einziger Ort auf der Welt, „an dem der russische Krieg positive Folgen hat“
Baerbock verwies darauf, dass es unter den G20-Mitgliedern unterschiedliche Sichtweisen zum Krieg in der Ukraine gebe. „Aber was uns alle eint, ist, dass es keinen einzigen Ort auf der Welt gibt, an dem der russische Krieg positive Folgen hat.“ Dazu gehöre auch Russland selbst. Dies zeigten Tausende Menschen, die Russland verließen und die Wirtschaftsdaten des Landes.
Zudem äußerte sie sich besorgt, dass Russland den „New Start“-Vertrags zur Reduzierung von Nuklearwaffen aussetzen wolle. Baerbock forderte Lawrow auf, den Dialog mit den USA wieder aufzunehmen und zur vollständigen Umsetzung des Vertrage zurückzukehren.
Rund ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kommen die Außenminister der G20-Runde führender Wirtschaftsmächte zu Beratungen in Indien zusammen. Auf der Tagesordnung stehen am Donnerstag in Neu Delhi neben dem Krieg auch die globale Nahrungsmittel- und Energiekrise sowie die Entwicklungszusammenarbeit und die Terrorismusbekämpfung.
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„Diesen großen globalen Herausforderungen müssen wir unsere ganze Kraft widmen“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock noch vor ihrer Abreise am Mittwoch in Berlin. „Dazu gehört auch, dass wir dem zynischen Spiel Russlands entgegentreten, das versucht einen Keil in die Weltgemeinschaft zu treiben.“ Baerbock landete am Donnerstagmorgen in der indischen Hauptstadt.
Die Tagesordnung
Am Morgen (Ortszeit) soll bei der ersten Arbeitssitzung über eine Stärkung des Multilateralismus, Nahrungsmittel- und Energiesicherheit sowie über die Entwicklungszusammenarbeit gesprochen werden. Am Nachmittag stehen unter anderem die Themen Terrorbekämpfung, Humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe auf der Tagesordnung. Es soll zudem ein Zusammentreffen der Außenminister mit Indiens Premierminister Narendra Modi geben. Baerbock wollte sich am Rande der Beratungen auch mit dem neuen chinesischen Außenminister Qin Gang treffen. Auch US-Außenminister Antony Blinken wurde zu den G20-Beratungen erwartet.
Baerbock betont die Bedeutung feministischer Politik – ist kein „Nice-to-have“
Außenministerin Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze wollen die Arbeit ihrer Häuser künftig unter feministischen Gesichtspunkten aufstellen.
© Quelle: Reuters
Baerbock sagte, sie wolle bei dem G20-Treffen Deutschlands Prioritäten einbringen: „Wir arbeiten an Lösungen für die Schuldenkrise, denn viel zu viele Länder drohen unter enormen Schuldenlasten zusammenzubrechen.“ Es ginge auch um den weltweiten Kampf gegen Hunger. „Und wir setzen uns für eine neue internationale Finanzarchitektur ein, weil der Klimawandel Naturkatastrophen immer schlimmer und teurer macht.“
Zu den G20 gehören die Europäische Union und die stärksten Volkswirtschaften aller Kontinente. Die Gruppe erwirtschaftet nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, 75 Prozent des weltweiten Handels und macht rund 60 Prozent der Weltbevölkerung aus.
Der Krieg gegen die Ukraine spaltet die G20
Zur Tagesordnung der Beratungen hieß es im Vorfeld aus dem indischen Außenministerium, dass auch Anliegen des globalen Südens wichtig seien und besprochen würden. Ein Thema könnte dabei viele andere Anliegen überschatten: Der inzwischen ein Jahr alte russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Gastgeber Indien nimmt in Bezug auf den Krieg eine neutrale Haltung ein und unterhält gute Beziehungen zu westlichen Ländern und zu Russland.
Indiens Premierminister Narendra Modi hat die Außenminister der G20-Gruppe vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu Geschlossenheit aufgerufen. Man solle sich nicht auf Angelegenheiten konzentrieren, die man nicht zusammen lösen könne - sondern auf solche, die man lösen könne, sagte Modi zu Beginn des Außenministertreffens in einer Videoansprache. Die Minister sollten sich etwa um Herausforderungen wie Wachstum, Entwicklung, Katastrophenresilienz, finanzielle Stabilität, grenzüberschreitende Kriminalität sowie Lebensmittel- und Energiesicherheit kümmern.
Dass die Weltgemeinschaft in Sachen Ukraine jedoch alles andere als einer Meinung ist, zeigte kürzlich auch das G20-Finanzministertreffen im indischen Bengaluru, bei dem keine gemeinsame Abschlusserklärung zustande kam. Neben Russland wollte auch China einer Verurteilung des russischen Angriffskriegs nicht zustimmen. Offen blieb bis zuletzt, ob sich die G20-Außenminister auf ein Kommuniqué einigen würden.
Bei den G20-Beratungen dürfte auch das im Westen mit viel Skepsis aufgenommene chinesische Positionspapier für ein Ende des von Russland begonnenen Krieges in der Ukraine eine Rolle spielen. Moskau hat das Papier begrüßt, sieht laut Kremlsprecher Dmitri Peskow aber derzeit keine Voraussetzung für eine friedliche Lösung.
In der UN-Vollversammlung hatten 141 der 193 Mitgliedstaaten für eine Resolution zum ersten Jahrestag des russischen Einmarsches in der Ukraine gestimmt. Sie enthält die Forderung nach Frieden und dem Rückzug Moskaus. Unter anderem Indien und China hatten sich enthalten, Brasilien, die Türkei und Saudi-Arabien votierten dafür.
RND/dpa/ab