Zerstrittene Ampel im Koalitionsausschuss

19 Stunden, kein Ergebnis

19 Stunden lang tagten Vertreter der Ampelregierung im Bundeskanzleramt (Archivbild).

19 Stunden lang tagten Vertreter der Ampelregierung im Bundeskanzleramt (Archivbild).

Berlin/Rotterdam. Als die Ampelkoalition im Dezember 2021 ihre Arbeit aufnahm, da hieß es: Nein, Nachtsitzungen solle es im Bündnis aus SPD, Grünen und FDP nicht geben. Beratungen vollkommen übermüdeter Politikerinnen und Politiker – das bringe doch nichts. Der Schwur ist spätestens hinfällig, seitdem Kanzler Olaf Scholz im März letzten Jahres verspätet zu einem Nato-Gipfel nach Brüssel kam, weil der Koalitionsausschuss bis zum Morgengrauen getagt hatte.

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Nachdem das Gremium aus Ministerinnen und Ministern sowie Partei- und Fraktionsvorsitzenden am Sonntagabend erneut zusammengetreten war, verlautete am Montag gegen Mittag aus Regierungskreisen, die Teilnehmer hätten langsam „das Bedürfnis, sich frisch zu machen“. Da saßen sie nämlich schon seit 15 Stunden zusammen. Rund vier Stunden später wiederum hieß es aus den Parteizentralen, die Beteiligten seien „in vertrauensvollen und konstruktiven Gesprächen weit vorangekommen“, hätten die Sitzung aber aufgrund der deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen, die nachmittags in Rotterdam beginnen sollten, unterbrochen. Die Gespräche würden am Dienstagvormittag fortgesetzt.

Mit anderen Worten: Die Ampel bewegt sich bei zentralen Themen am Rande des Scheiterns. Ausgang ungewiss. Dabei hatte sich der Kanzler zuvor sehr optimistisch gezeigt. Spitzengrüne betonten, im März werde man vermutlich zu Lösungen kommen.

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Streit hemmt zahlreiche Projekte

Dass die Koalition auf der Stelle tritt, ist seit Wochen offensichtlich. Ungefähr 30 eigentlich geplante Projekte gelten als streitig. Wie der Haushalt für das Jahr 2024 aussehen soll, ist unklar. Unklar ist ebenso, ob die im Koalitionsvertrag prinzipiell vereinbarte Kindergrundsicherung Wirklichkeit wird oder nicht. Kern der Auseinandersetzungen ist freilich die Klimaschutzpolitik, die die Grünen nun endlich auch im Verkehrssektor energisch vorantreiben möchten, während die FDP und ihr zuständiger Minister Volker Wissing an der Stelle ebenso energisch blockieren. Sie wollen eine ressortübergreifende Senkung des CO₂-Ausstoßes.

Keine Einigung: Koalitionsausschuss der Ampel vertagt

Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat ihr Spitzengespräch am Montag vorerst unterbrochen.

Zwar ist der Konflikt darüber, ob EU-weit nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden sollen, mittlerweile beigelegt. Kontrovers bleibt indes beispielsweise, ob in die Beschleunigung von Verkehrsprojekten Autobahnen einbezogen werden sollen, wie die Liberalen fordern, oder nicht, wie die Grünen mahnen. Letztere möchten lieber die Bahn stärken.

Umstritten ist ferner, ob 2024 der Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen beginnen soll – mit dem Ziel, sie durch Wärmepumpen zu ersetzen. Dies würde die betroffenen Haushalte viel Geld kosten, soll aber nach dem Willen von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) durch staatliche Subventionen abgepuffert werden, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) freilich billigen müsste. Habeck hatte zuletzt sogar einen Vertrauensbruch beklagt, weil ein entsprechender Gesetzentwurf aus seinem Haus an die Medien durchgestochen worden war.

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Aus Grünen-Kreisen verlautete am Montagvormittag, bei der FDP wie bei der SPD sei immer noch nicht angekommen, dass die Klimakrise Realität sei. Beide Partner stünden gegen die Ökopartei. „Es hakt am Gesamtpaket“, hieß es. Später klangen die Darstellungen versöhnlicher. Regierungssprecher Steffen Hebestreit ließ wissen, das Ende der Verhandlungen sei absehbar. Eine andere, jedoch ebenfalls nur mittelbar Beteiligte erklärte: „Am Ende war es recht konstruktiv, doch dann hat die Zeit gefehlt.“ Deshalb einigte man sich auf die Verschiebung bis Dienstag.

Scholz selbst behauptete nach der Landung in Rotterdam, man habe in den Gesprächen zur Modernisierung des Landes „sehr, sehr gute Fortschritte erzielt“, und fuhr fort: „Wir wissen, es hat viele Jahrzehnte gegeben, in denen alles viel zu langsam voranging. Das muss sich ändern, und das wird sich auch ändern.“ Die Verschiebung nannte er eine „nette Unterbrechung“.

Merz hat sich Urteil gebildet

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat sich unabhängig davon längst sein Urteil über die anhaltenden Reibereien gebildet und warf der Ampel dabei vor, die Bevölkerung aus den Augen zu verlieren. „19 Stunden Dauerstreit im Kanzleramt ohne Ergebnis. Diese Bundesregierung ist stehend k.o.“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und fuhr fort: „Diese Regierung wurde gewählt, damit sie das Land regiert und nicht untereinander blockiert. Anstatt endloser Streitigkeiten braucht es jetzt Entscheidungen – zum Wohle unseres Landes.“

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