Fachleute befürchten vermehrte Fluchtbewegungen

Studie: Ein Drittel der Weltbevölkerung bis 2100 von extremer Hitze bedroht

Ein palästinensisches Kind nimmt während einer Hitzewelle ein Bad in einer Plastikschüssel.

Ein palästinensisches Kind nimmt während einer Hitzewelle ein Bad in einer Plastikschüssel.

Der Klimawandel macht menschliche Lebensräume zunehmend unbewohnbarer. Setzt sich die Erderwärmung so fort wie bisher, könnte am Ende des Jahrhunderts ein Drittel aller Menschen in Regionen leben, die außerhalb der menschlichen Klimanische liegen. Gemeint ist ein Temperaturbereich mit einer Jahresmitteltemperatur von 11 bis 15 Grad Celsius, in dem Menschen seit Jahrtausenden leben. Heißt im Klartext: Für immer mehr Menschen weltweit wird es in den kommenden Jahren immer heißer. Dieses Szenario beschreibt eine Studie, die am Montag im Fachmagazin „Nature Sustainability“ erschienen ist.

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Schon jetzt leben mehr als 600 Millionen Menschen weltweit außerhalb der Klimanische. Das sind 9 Prozent der Weltbevölkerung. Die Prognose des Forscherteams geht von einer globalen Erwärmung von 2,7 Grad aus – die mit der aktuellen Klimapolitik zu erwarten ist – und einem Bevölkerungswachstum auf 9,5 Milliarden Menschen bis 2070 mit anschließendem Rückgang. Besonders viele Menschen wären dann in Indien, Nigeria und Indonesien von Temperaturextremen betroffen. Auch weite Teile von Burkina Faso, Mali und Katar würden nahezu komplett außerhalb der Klimanische liegen.

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Zahl der Klimaflüchtlinge steigt

Für Lisa Schipper kommen die Studienergebnisse nicht überraschend: „Die Vorstellung, dass immer weniger Menschen in der Lage sein werden, ein menschenwürdiges Leben zu führen, steht in direktem Zusammenhang mit der Warnung des IPCC (des Weltklimarats, Anm. d. Red.), dass sich das Zeitfenster für die Sicherung eines nachhaltigen und lebenswerten Lebens für alle Menschen schließt“, sagte die Professorin für Entwicklungsgeographie vom Geographischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Vor allem trifft der Klimawandel aber einkommensschwache Länder, in denen Menschen nicht in der Lage sind, sich an die Temperaturanstiege anzupassen. Hauptsächlich, weil sie nicht die finanziellen Mittel haben, um beispielsweise kühlende Klimaanlagen zu installieren.

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Wie können sich diese Menschen vor den Folgen des Klimawandels schützen?

Die naheliegende Lösung lautet: Sie könnten an kühlere Orte ziehen. An Orte, die noch innerhalb der menschlichen Klimanische liegen. Denn auch bei einer globalen Erwärmung von 2,7 Grad Celsius wird die Erde nicht automatisch überall unbewohnbar. Kontinente im Norden, etwa in Europa oder Nordamerika, würden den Simulationen der Forschenden zufolge weiterhin verhältnismäßig gute Lebensbedingungen bieten.

„Die Studienergebnisse sollten nicht so interpretiert werden, dass der Klimawandel eine Massenflucht an Orten auslöst, an denen die meisten oder alle Menschen außerhalb der menschlichen Klimanische leben“, wendet Schipper ein. Bisher sind die meisten Klimaflüchtlinge innerhalb des eigenen Landes oder in angrenzende Nachbarländer umgezogen. Dass bald vermehrt Menschen vor steigenden Temperaturen zum Beispiel nach Europa flüchten, zeichnet sich bisher nicht ab. „[Die Studienergebnisse] sollten aber auch nicht so verstanden werden, dass sich alle Menschen außerhalb dieser Nische anpassen können – denn unsere Anpassungsfähigkeit ist mit zunehmender globaler Erwärmung deutlich eingeschränkt.“

Warum zu hohe Temperaturen problematisch sind

Die Studie bestätigt einmal mehr: Der Klimawandel sorgt für viel menschliches Leid. Je heißer es auf der Erde wird, desto mehr Probleme gibt es. Dürren, Ernteausfälle, Wasserknappheit, Artensterben, Ressourcenkonflikte – um nur ein paar zu nennen. Auch gesundheitliche Probleme gehören dazu: Hitze verursacht erwiesenermaßen Herzkreislaufprobleme, kann zu Hitzschlägen führen und schränkt die Leistungsfähigkeit ein. Für ältere und kranke Menschen kann Hitze sogar tödlich sein. Das heißt: Je höher die Temperaturen steigen, desto gefährlicher werden sie für den Menschen.

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Hitze allein ist jedoch nicht der Grund, warum Regionen unbewohnbar werden. Auch in Gebieten innerhalb der menschlichen Klimanische, wo die Temperaturen annehmbar sind, können sich die Lebensbedingungen verschlechtern – zum Beispiel, wenn Dürren auftreten, die die Landwirtschaft unmöglich machen. Oder wenn Überschwemmungen auftreten und der Meeresspiegel steigt. Die ideale ökologische Nische für den Menschen umfasst also nicht nur die richtige Temperatur, sondern auch Faktoren wie die Luftfeuchtigkeit, Wasserverfügbarkeit und geografische Bedingungen für eine effektive Landwirtschaft.

Der Effekt der 1,5-Grad-Marke

Um die ökologischen Nischen für den Menschen aufrechtzuerhalten, ist aus Sicht der Studienautorinnen und Studienautoren vor allem eines wichtig: Die globale Erwärmung begrenzen. Würde der Anstieg der Globaltemperatur um 2,7 auf 1,5 Grad Celsius reduziert, wären fünfmal weniger Menschen einer gefährlichen Hitze bis zum Ende des Jahrhunderts ausgesetzt. Die Forschenden errechneten zudem, dass je 0,3 Grad vermiedenem Tempertaturanstieg 350 Millionen Menschen weniger betroffen wären.

„Wir sehen bereits heute die Auswirkungen gefährlicher Hitze auf die Menschen in verschiedenen Teilen der Welt“, sagte Wendy Broadgate, Executive Director der Earth Commission, einem globalen Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das an der Studie beteiligt gewesen ist. „Dies wird sich nur noch beschleunigen, wenn wir nicht sofort und entschlossen handeln, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.“

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